Soziale Identität und gesellschaftlicher Zusammenhalt: Welche Anerkennungsdefizite bedrohen die soziale Kohäsion?

01.01.2021 bis 31.12.2023

In jüngerer Zeit deuten etliche Zeichen auf eine Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts. So nimmt in vielen Ländern, so auch in Deutschland, das Institutionenvertrauen ab. Insbesondere die zunehmende
Unterstützung populistischer Parteien kann als Ausdruck zunehmender Gefährdung gesellschaftlichen Zusammenhalts angesehen werden: Populistische Parteien betonen die Grenzen zwischen gesellschaftlichen Gruppen, entlang vertikaler Stratifizierungsdimensionen („Volk“ vs. „Elite“) ebenso wie entlang horizontaler Innen-Außenabgrenzungen („Deutsche“ vs. „Zuwanderer“). Die zunehmende Bedeutung partikularistischer Grenzziehungen schwächt aber erheblich die soziale Integration auf
gesamtgesellschaftlicher Ebene. Dieses Projekt fragt, inwieweit die zunehmende Unterstützung populistischer Strömungen und andere
Indikatoren der Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhangs als Folge bedrohter sozialer Identitäten zu verstehen sind, die Anerkennungsdefiziten beinhalten, wodurch die Ausbildung positiver
sozialer Identitäten unterminiert wird. Es wird angenommen, dass in der Folge solcher Identitätsbedrohungen der nostalgische Wunsch, „traditionelle“ soziale Identitäten wiederherzustellen entsteht, was vor allem durch partikulare, sich gegen Andere abgrenzende Identitäten zu erreichen ist.
Das Projekt beinhaltet drei Teiluntersuchungen. Erstens geht eine Sekundäranalyse europäischer und außereuropäischer Erhebungen der Frage nach, wie sich gesellschaftliche Strukturcharakteristika auf die
Ausbildung sozialer Identitäten und den sozialen Zusammenhalt auswirken. Zweitens untersucht eine Online-Befragung, wie sich Identitätsverunsicherung und die wahrgenommene Abwertung verschiedener sozialer Kategorien auf zentrale Indikatoren sozialer Kohäsion auswirken. Drittens prüft ein Online-Experiment, das die Bewertung unterschiedlicher sozialer Kategorien manipuliert, die kausalen
Beziehungen zwischen Identitätsbedrohung und sozialem Zusammenhalt.