Internationale wissenschaftliche Veranstaltung: "Die Rationalität und Rhetorik der Predigt Homiletische Herausforderungen in der Gegenwart", Tübingen

06.05.2021 bis 08.05.2021

Die Predigt im liturgischen Kontext eines evangelischen Gottesdienstes hat gemäß ihrem theologischen Selbstverständnis die Funktion einer öffentlichen und gegenwartsrelevanten Verständigung über den christlichen Glauben. Sie ist öffentliche Lehre („publice docere“) und zielt auf ein religiöses Bildungsgeschehen, das die Hörerinnen und Hörer in einen Verständigungsprozess einbezieht, der es ihnen ermöglicht, die Inhalte des christlichen Glaubens in ihrer Bedeutsamkeit für das je eigene Leben nachzuvollziehen und eigenständig anzueignen. Die Predigt ist insofern wesentlich als ein kommunikatives, dialogisches Geschehen zu gestalten. Indem die evangelische Kirche eine solchermaßen konturierte Rede in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, versteht sie sich bewusst als eine ‚schwache‘ Institution, die Gelegenheiten der Kommunikation bereithält und kultiviert, in denen sich die tradierten Vokabulare der christlichen Religion in ihrer aktuellen Plausibilität allererst zu erweisen haben.
Die Homiletik im deutschsprachigen Raum hat den hier skizzierten Grundzügen in den letzten 50 Jahren wesentlich dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass sie die Thematisierung der Form, der individuellen Rezeptionsmöglichkeiten, des Ereignis- und Erlebnischarakters sowie der sinnhaften Erfahrung der Predigt in den Vordergrund rückte. Vor dem Hintergrund gegenwärtiger gesellschaftlicher und religionskultureller Herausforderungen stellt sich allerdings die Frage, ob über die ästhetisch orientierten Zugänge zur Predigt hinaus nicht neue Akzente in der homiletischen Theoriebildung gesetzt werden sollten, um die Predigt als Verständigungsprozess stärker zu profilieren. Die projektierte Tagung zielt unter der Leitkategorie der rhetorischen Rationalität auf eine solche Neuakzentuierung: Ergänzend zu ihrem ästhetischen Erfahrungscharakter soll die Rationalität der Predigt in das Zentrum der Homiletik rücken, wobei die Rhetorik als ein Reflexionszusammenhang unterstellt wird, der eine der Predigt als lebensweltliche Redepraxis angemessene Konturierung ihrer rationalen Potenziale eröffnet. Mit der Leitkategorie der rhetorischen Rationalität ist ein zentrales Desiderat der homiletischen Forschung aufgerufen, das im Rahmen der Tagung im internationalen Dialog ausgelotet werden soll, um ihm daraufhin in weiteren Forschungsarbeiten vertiefend nachzugehen.