ProjektSymposium: Kasuistik und Theorie des Gewissens. Von Pascal bis Kant

Grunddaten

Titel:
Symposium: Kasuistik und Theorie des Gewissens. Von Pascal bis Kant
Laufzeit:
12.04.2018 bis 14.04.2018
Abstract / Kurz- beschreibung:
Die Debatte um Kasuistik und Probabilismus zählt zu einem der wichtigsten Themen der Moraltheologie und Moralphilosophie der frühen Neuzeit. In der enormen Verbreitung der Literatur über die Gewissensfälle (casus conscientiae) und in der großen Resonanz der Lehre von den wahrscheinlichen Meinungen (opiniones probabiles) in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts findet sich ein wirkungsmächtiges Modell für die Analyse des moralischen Handelns, in welchem Universalität des Gebots und Kontingenz der Handlung, Notwendigkeit der Norm und individuelle Freiheit miteinander versöhnt werden. Dennoch erregt dieses Modell heftige Kritik, die in Pascals berühmtem Angriff in den Briefen in die Provinz (1656-1657) gipfelt. So beginnt für die Kasuistik und den Probabilismus eine lange Krise, welche die Entstehung der modernen Moralphilosophie und den Siegeszug des Kantischen Paradigmas ankündigt.
Die Krise von Kasuistik und Probabilismus fällt zusammen mit einer einsetzenden rigoristischen Reaktion der christlichen Moraltheologie sowohl katholischer als auch protestantischer Prägung, welche die moralischen und spekulativen Folgen eines Rückgriffs auf Gewissensfälle und wahrscheinliche Meinungen als inakzeptabel ablehnt. Die Ablehnung geht aber weiter und dringt bis in den Kern der philosophischen Reflexion vor: Die rigoristische Reaktion gegen Kasuistik und Probabilismus entzündet sich im moralphilosophischen Denken Kants als Folge seiner umfassenden kritischen Revision der Grundbegriffe der Moralphilosophie sowie insbesondere seiner Neubestimmung des Verhältnisses von Gewissen und praktischem Urteil. Dem Grundsatz des Probabilismus setzt Kant das Kriterium der moralischen Gewißheit („quod dubitas, ne feceris!“) entgegen, das er als „Postulat des Gewissens“ bezeichnet (RGV 06: 185 f.). Und die Kasuistik wird als eine „Critic der Handlungen nach Sophistic“ abgestempelt, als eine „Uebung, um nach der Sophistic das Gewissen zu hintergehen oder es zu chicaniren, insofern man es in Irrthum zu setzen denkt“ (V-MS/Vigil 27: 620). Dennoch weist Kant den kasuistischen Fragen eine herausragende Stellung in der Tugendlehre zu und legt der Kasuistik im Rahmen der ethischen Methodenlehre, also im Hinblick auf pädagogische Anwendungen, letztlich eine positive Funktion bei.
Vermutlich ist Kants Angriff auf Kasuistik und Probabilismus durch den Einfluss Pascals philosophisch vermittelt. Kants Verhältnis zu Pascal und, allgemeiner, zu dem historischen Hintergrund, welchem dieser angehört, sind gleichwohl noch erstaunlich wenig erforscht: Trotz der wiederholten (stillschweigenden oder sogar ausdrücklichen) Hinweise an wichtigen Stellen in Kants Schriften richtet die Kantforschung ihre Aufmerksamkeit nur selten auf die Jahrhunderte währende Tradition der Kasuistik und den Begriff des Gewissens, der in ihrem Rahmen ausgearbeitet wird. Aus dieser langen Geschichte soll in unserem Symposium insbesondere der Zeitraum „von Pascal bis Kant“ eingehend untersucht werden, d.h. der noch wenig erkundete Zeitabschnitt von der brisanten Polemik von Pascals Briefe in die Provinz bis zu Kants eigener Kritik des Probabilismus und seinem Entwurf einer (neuen) Kasuistik als Teil der ethischen Methodenlehre.

Das Symposium wird vom 12.04. bis 14.04.2018 in Tübingen (Fürstenzimmer, Schloss Hohentübingen) stattfinden. Im Rahmen der Tagung ist ferner eine Abendlesung zum Thema „Kasuistik und Ironie“ (Alte Aula, Freitag 13.04) geplant. Vorgelesen werden sollen Auszüge aus Kasuistik-Handbüchern und aus Pascals Briefen in die Provinz.
Schlüsselwörter:
Kant
Pascal
Kasuistik
Gewissen
Probabilismus
Tugendlehre

Beteiligte Mitarbeiter/innen

Leiter/innen

di Giulio, Sara
Fachbereich Philosophie-Rhetorik-Medien
Philosophische Fakultät

Lokale Einrichtungen

Philosophisches Seminar
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Philosophische Fakultät

Geldgeber

Köln, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
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