ProjektKulturgeschichte des Diebstahls: Ein Gründungsmythos
Grunddaten
Titel:
Kulturgeschichte des Diebstahls: Ein Gründungsmythos
Laufzeit:
01.08.2013 bis 14.03.2018
Abstract / Kurz- beschreibung:
Der listige und kluge Dieb ist nicht nur eine prominente literarische Figur der Antike: Die Er-zählungen der Diebstähle von Prometheus, Hermes, Moses und Eva stellen die mythischen Vorbilder für die raffinierten oder einfach frechen Diebe dar, die noch in der Moderne das Ei-gentum der Bürger bedrohen. So wie sich Prometheus das Feuer, Hermes die Rinder des Apol-lon, Moses das Gold der Ägypter und Eva den Apfel Gottes aneignet, sind auch die neuzeitli-chen und modernen Diebstähle z.B. Jean-Jacques Rousseaus, Jean Genets, Arsène Lupins als Herausforderungen einer je spezifischen Eigentumsordnung zu verstehen. Mit einer solchen Entwendung geschieht aber nicht nur eine einfache illegitime Aneignung, sondern der Steh-lende erlebt sich selbst als handlungsfähig gegen Herrschaftswirkungen und Diskurse, die er sonst als übermächtig erlebt hat. Mit der Verwandlung des Eigentumskonzeptes vom feudalen und institutionalen zum privaten Besitz im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts, der das Ei-gentum mobil und flexibel machte, löst der urbane und individualistische Dieb den ländlichen Räuberhauptmann als „Vorzeigeverbrecher“ also nicht nur vor Gericht und in den Zeitungen, sondern auch in der Literatur ab. Im Gegensatz zum Räuber muss der Dieb allerdings keine Gewalt anwenden oder androhen, und sein Unterlaufen der Eigentumsordnung ist subtiler, subversiver und oft genug ‚intellektueller‘ als das des offen auftretenden Rebellen. Der Dieb ist damit neben dem Revolutionär die einzige Figur der Moderne, die sich gegen das Eigentum auflehnt. Er ist komplexer als der Räuberhauptmann und der Revolutionär: Er begeht ein ge-waltloses Aneignungsverbrechen, mit dem er sich sowohl vom Bestohlenen distanziert, sich aber auch auf ihn bezieht und an seinem Eigentum und damit an seiner Subjektivität und sei-nem Weltverhältnis teilhaben will. Der Dieb, der in der modernen Literatur auch bei Stefan Zweig, Arthur Schnitzler, Mark Twain, Alexandre Marius Jacob und Georges Darien auftaucht, stellt in allen Fällen eine ambivalente Figur zwischen bewundertem, listigem Helden und fei-gem Egoisten dar. Aber nicht nur die Literatur, sondern auch die moderne und postmoderne Philosophie und Literaturtheorie verwendet den ambivalenten Diebstahlstopos als eine ihrer zentralen Metaphern: In Clifford Geertz’ ‚Dichter Beschreibung‘, in Roland Barthes’ ‚Mythen des Alltags‘ und in Michael Hardt und Antonio Negris ‚Empire‘ tauchen an entscheidenden Punkten metaphorische oder beispielhafte Diebstähle auf, die den Gedankengang tragen. So ist der Dieb nicht nur eine historische Fgur der Kulturgründung durch ein Ursprungsverbre-chen, sondern genauso eine moderne Figur der Kritik und leiser Auflehnung.
Schlüsselwörter:
Kulturtheorie
Kulturgeschichte
Mythos
Diebstahl
Beteiligte Mitarbeiter/innen
Leiter/innen
Deutsches Seminar
Fachbereich Neuphilologie, Philosophische Fakultät
Fachbereich Neuphilologie, Philosophische Fakultät
Lokale Einrichtungen
Deutsches Seminar
Fachbereich Neuphilologie
Philosophische Fakultät
Philosophische Fakultät
Geldgeber
Bonn, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Bonn, Nordrhein-Westfalen, Deutschland